Billy Idol in den 90s: Zwischen Rock und Techno
Bei Billy Idol läuft es derzeit gut: "Walk of Fame", "Rock & Roll Hall of Fame" und bald eine neue Platte. In den 90ern wurde er aber gehasst, warum?
Bei Billy Idol läuft es derzeit gut: "Walk of Fame", "Rock & Roll Hall of Fame" und bald eine neue Platte. In den 90ern wurde er aber gehasst, warum?
Nach dem kommerziellen Erfolg seiner 80er-Jahre-Alben wie "Rebel Yell" (1983) und "Whiplash Smile" (1986) geriet Billy Idol Anfang der 90er in eine schwierige Phase. Sein 1990er Album "Charmed Life" enthielt zwar den Hit "Cradle of Love", aber insgesamt war der Sound konservativer und nicht mehr so innovativ wie seine früheren Werke. Dazu kam sein schwerer Motorradunfall im Februar 1990, der Billy Idol fast das Leben kostete und ihn für eine Weile an Krücken fesselte. Während seiner Genesung begann Billy Idol, sich für neue Technologien zu interessieren – insbesondere für Cyberpunk-Literatur, das aufkommende Internet und digitale Kunst. Er las Werke von Autoren wie William Gibson (Neuromancer) und Philip K. Dick, schaute Science-Fiction-Filme wie "Blade Runner" und vertiefte sich in die Underground-Subkultur der Hacker, Techno-Musik und digitalen Kunstbewegung.
Billy Idol wollte nun ein Konzeptalbum erschaffen, das von einer dystopischen Zukunft handelt, in der Technologie das Leben der Menschen dominiert. Das Album sollte sich nicht nur musikalisch, sondern auch in seiner Entstehung und Vermarktung von seinen früheren Werken unterscheiden. Während der Produktion zog sich Billy Idol weitgehend zurück, konsumierte nach eigenen Angaben viele Drogen und tauchte tief in die Cyberpunk-Kultur ein. Er nahm das Album in London auf und experimentierte mit einem Mix aus Rock, Techno, Industrial und elektronischen Sounds. Sein Ziel war es, die Grenzen zwischen Mensch und Maschine musikalisch darzustellen. Das Konzept von Cyberpunk war für die damalige Zeit ambitioniert, aber viele Kritiker und Fans konnten mit der neuen Richtung wenig anfangen. Dennoch war das Album ein früher Versuch, Rock mit digitalen Technologien zu verschmelzen – etwas, das später durch Künstler wie Nine Inch Nails, The Prodigy oder Marilyn Manson populärer wurde.
"Cyberpunk" war eines der ersten Rockalben, das fast vollständig mit Computern und digitaler Technik aufgenommen wurde, anstatt mit traditionellen analogen Methoden. Billy Idol und sein Produzent Robin Hancock nutzten MIDI-Technologie, Sampler und frühe Computer-Software zur Musikbearbeitung. Das Albumcover, die Musikvideos und sogar die Promotion-Kampagne lehnten sich stark an das Cyberpunk-Genre an. Idol ließ sich mit VR-Helmen und Sci-Fi-inspirierten Outfits fotografieren. Billy Idol war einer der ersten Rockstars, der das Internet zur Promotion nutzte. Fans konnten sich über das damals noch sehr junge Usenet und Bulletin-Board-Systeme (BBS) über das Album informieren. Das Album wurde mit einer 3,5-Zoll-Diskette verkauft, die Textdateien, Bilder und sogar ein interaktives Programm enthielt – für die damalige Zeit revolutionär.
Billy Idols "Cyberpunk" wurde bei seiner Veröffentlichung 1993 negativ bewertet. Viele Kritiker und Fans waren von dem stilistischen Wechsel enttäuscht, da Billy Idol sich stark von seinem klassischen Rock- und Punk-Sound entfernte und stattdessen elektronische und technoartige Elemente einsetzte. Das Album war kommerziell ein Flop, insbesondere in den USA, wo es die Charts kaum erreichte. In Großbritannien und einigen anderen Märkten war es etwas erfolgreicher, aber verglichen mit seinen früheren Alben blieb "Cyberpunk" weit hinter den Erwartungen zurück.
Stephen Thomas Erlewine von AllMusic beschrieb das Album als "gescheiterten Versuch von Idol, sich für die 1990er Jahre neu zu erfinden", und kritisierte, dass es "hauptsächlich mit prätentiösen Reden, gesampelten Dialogen und unausgereiften Songs" gefüllt sei. Besonders die Coverversion von "Heroin" bezeichnete er als "eine der schlechtesten Coverversionen aller Zeiten".
Ira Robbins von Newsday bemängelte, dass Billy Idols frühe Versuche, Technologie in seine Musik zu integrieren, kaum erkennbar seien, und bezeichnete Cyberpunk als "den Klang der Wissenschaft, die zu weit gegangen ist".
Johnny Dee vom NME stellte fest, dass das Album "im Wesentlichen die gleichen grundlegenden Zutaten von vorgetäuschten Rebellenposen und pathetischem Melodrama" enthalte, für die Idol bekannt sei, und fügte hinzu, dass es "nur digitaler, eingeschweißt und synthetisch" klinge.
Zusätzlich wurde Billy Idol von Mitgliedern der aufkommenden Internet-Community kritisiert, die ihm vorwarfen, die Cyberpunk-Kultur für kommerzielle Zwecke auszunutzen. Der Schriftsteller William Gibson, dessen Werk Idol beeinflusst hatte, äußerte, dass er nicht verstehe, was Billy Idol mit dem Album bezwecke, und sah keine Verbindung zwischen Billy Idols Musik und der Cyberpunk-Thematik. Insgesamt wurde "Cyberpunk" als prätentiös und unausgereift wahrgenommen, und viele Kritiker empfanden, dass Billy Idol verzweifelt versuchte, mit aktuellen Trends Schritt zu halten. Billy Idol wurde zu einer Lachnummer und seine ehemaligen Fans hassten ihn für das Album.
Kann man einer Platte aus den 90ern eine zweite Chance geben? Wir meinen: ja. Also lasst euch doch nochmal drauf ein. Anspieltipp: "Adam in Chains". Das sechseinhalb Minuten lange Stück besticht durch die tiefe und, in diesem Fall, sanfte Stimme von Billy Idol. Aber es ist insbesondere ein meditativer Trip, der den ganzen Trend des Chill-Outs vorwegnahm. Ein Song der allen Wellness-Influencern von heute eigentlich gut gefallen müsste. Auf Social Media ist daher auch eine verspätete Anerkennung für den Song zu finden:
Dem ist wenig hinzuzufügen. Auffällig ist allerdings, dass das Album, so sehr es in der Rock-Szene gehasst wird, bei Techno-Fans durchaus eine Rolle spielt. Es ist auf allen üblichen Streaming-Plattformen zu hören, gebt "Cyberpunk" gerne eine zweite Chance!