90s90s - Celebrating: Sven Väth
Sven Väth: Vom Schlosserlehrling zum "Babba" der Technoszene
Der Techno-Entertainer wird 60. Er bleibt sich treu: "Ich kann sehr, sehr lange spielen, aber ich verliere nie den Faden..."
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Wann hat Sven Väth als DJ angefangen?
Sven Väth wird 60 Jahre alt. In Interviews betont er stolz, dass er seit fast 45 Jahren auf eigenen Füßen steht. Im Sommer 1981 begann er seine Lehre als Schlosser, doch nebenher legte er in der Diskothek seiner Eltern auf. Das lief so gut, dass er die Lehre abbrach und bald darauf im Flughafen-Club "Dorian Gray" auflegte. Dort übernahm er die Schicht nach Sonnenaufgang und experimentierte musikalisch: Electronic Body Music.
Wie Sven Väth zum Popstar wurde
Mit dem Projekt OFF produzierte Sven Väth gemeinsam mit Michael Münzing und Luca Anzilotti (die später Snap! gründeten und mit "The Power" die Charts stürmten) seine eigene Musik. Im Herbst 1986 erschien die OFF-Single "Electrica Salsa" und machte Sven Väth zum Popstar. Das Debütalbum von OFF feierte seine Musik im "Dorian Gray" und den dazugehörigen Stil. Auf dem Cover posierte Sven Väth mit nacktem Oberkörper in einer typischen EBM-Pogo-Pose. In "Zak" besingt er die "Industrial Kids" dieser Zeit: "The positive side of aggression – leads to a new kind of delight – Nitzer skinny and 242 – few examples that speak for you." Den Dancefloor im "Dorian Gray" brachte Sven Väth gerne mit Tracks von Nitzer Ebb, Skinny Puppy und Front 242 zum Kochen – harter Pogo inklusive. Nicht selten sprang der DJ selbst auf den Dancefloor.
1987 veröffentlichte Sven Väth mit OFF "Step by Step". Kommerziell war die Single nicht so erfolgreich wie "Electrica Salsa", aber das dazugehörige Video gilt als besonders ikonisch für die späten 80er Jahre und die frühen Techno-Jahre. Sven Väths Kleidung im Video und sein Tanzstil fingen die Szene der Zeit perfekt ein. Dann, im folgenden Jahr, die Single "Time Operator" – irritierend anders. Die Auftritte zur Single waren humorvoll und witzig, weit entfernt von der Electronic Body Music. Der gebürtige Hesse zeigte eine neue Facette seiner Persönlichkeit. Ende 1988 erschien die OFF-Single "La Casa Latina", deren Sound Sven Väth von einem längeren Aufenthalt auf Ibiza mitgebracht hatte. Die Single war ein Versuch, den international erfolgreichen Acid-House-Sound auch nach Deutschland zu bringen.
Sven Väth eröffnet das "Omen"
Mit "La Casa Latina" verlor Sven Väth viele Fans der ersten Stunde, die sich kopfschüttelnd abwandten. Gleichzeitig wurde klar, in welche Richtung sich Sven Väth in den 90er Jahren bewegen würde. Zudem war er dem "Dorian Gray" entwachsen – er eröffnete in der Frankfurter Innenstadt den Club "Omen", der fast das gesamte Jahrzehnt über die Techno- und House-Szene in Deutschland prägte. Im "Omen" war es durchaus üblich, dass man ein bestelltes Wasser an der Bar direkt über den Kopf geschüttet bekam, statt es zu trinken – so heiß waren die Nächte dort.
Es ist unstrittig, dass Sven Väth in den frühen 90ern auch Partydrogen konsumierte; er gibt das offen zu. Der Konsum und der neue Club "Omen" schränkten seinen musikalischen Output in diesen Jahren etwas ein. Bis 1992 das Album "Accident in Paradise" erschien. Die Single "L'Esperanza" machte Sven Väth endgültig zum Star der Techno-Szene.
Wie stand Sven Väth zur Techno-Hauptstadt Berlin?
Doch Sven Väth hatte ein Problem, das durch den Mauerfall entstand: Die Frankfurter Szene erodierte schlagartig. In Berlin eröffneten sich durch die Wende extreme Möglichkeiten für Raver. Die Freiflächen Ostberlins ermöglichten spontane Club-Eröffnungen, und die Behörden konnten mit der rasanten Entwicklung der Technoszene kaum Schritt halten. Ein Raver nach dem anderen packte die Koffer und zog nach Berlin. Auch Musikproduktionen fanden nun vermehrt dort statt, und internationale DJs zog es an die Spree. Für Daheimgebliebene wie Sven Väth war das ein großes Problem. Zwar wurde er in Berliner Clubs wie dem legendären "Tresor" gebucht, doch er fühlte sich zerrissen zwischen Ibiza, Frankfurt und Berlin. Schließlich entschied sich Sven Väth, in und für Frankfurt die Techno-Fahne hochzuhalten. Bewusst positionierte er sich gegen die neue Techno-Hauptstadt Berlin. Als die Loveparade dort immer größer wurde, war Sven Väth der erste prominente DJ, der nicht mehr auf der Parade auflegen wollte. Stattdessen organisierte er eine exklusive Party im Garten des "Tresor"-Clubs. Für viele Fans galt das als Verrat an der Idee des Techno, der immer offen und ohne VIP-Bereiche sein sollte. Doch Sven Väth ließ sich nicht beirren. Bis 1998 blieb das "Omen" die große Techno-Anlaufstelle in Westdeutschland.
"The Harlequin, the Robot and the Ballet Dancer"
Mit seinem zweiten Solo-Album "The Harlequin, the Robot and the Ballet Dancer" wurde Sven Väth sogar etwas nachdenklich. Der Techno-Vorreiter beschreibt sich selbst als "Harlequin, Robot und Ballet Dancer" – eine Beschreibung, die auch heute noch zutrifft. Der Entertainer, technikbegeistert und unkonventionell, liefert nach wie vor spektakuläre Shows ab. Zwischenzeitlich hat er sich von den Drogen verabschiedet, lebt gesund und hat eine Familie. Doch Sven Väth bleibt der unkonventionelle DJ, der auch weiterhin richtig Party macht. So wurde er zum "Babba", dem Vater der Techno-Szene. Ein Auftritt von Sven Väth ist jedenfalls viel mehr als nur ein DJ-Set – es ist ein Fest der Musik, nahbar, persönlich und exzessiv. Wer ihn noch nie live gesehen hat, sollte das unbedingt nachholen.
Sven Väth - L'Esperanza (1993)
